Donnerstag, 14. Januar 2010

Heulen und Zähneklappern, die zweite

an Halloween hatten wir das Drama mit dem Laptop, vorgestern dann ein neues Missgeschick.
Mein Göga hat es in einem Brief an seinen Bruder geschildert, da brauch ich mir jetzt nicht die Finger wundtippen.
Also hier:


Hallo Brüderchen,

gar folgendes und schlimmes geschah gestern Abend: Es war schon spät und wir beschlossen einen kleinen Winterspaziergang zu machen. Na gut – es hatte an sich gar nicht so viel mit Spazieren zu tun, denn wenn Marion mit dem Leihhund unterwegs ist, wird ein Tempo erreicht, dass man nur zu Tage legt, wenn man versucht, einer Horde wilder und blutrünstiger Russen zu entkommen. Schon nach dem ersten Kilometer war mir klar, dass ich das alles unterschätzt hatte und ausgelatschte Hallensportschuhe nur bedingt sinnvoll sind, wenn durch hohen Schnee gestapft wird. Nach einer Stunde waren wir wieder daheim und ich hatte an sich nur noch den Wunsch, einen heißen Kaffee zu genießen und – in der Hoffnung, dass die Starre aus den Fingern weichen würde – ein wenig Klavier zu spielen. Ich stellte die warme Tasse auf das Klavier und studierte die Noten. Tatsächlich stellte ich die Tasse nicht auf das Klavier, denn die Oberfläche könnte ja Flecken bekommen. Vielmehr auf ein Notenblatt, unter dem sich lediglich ein paar andere Blätter befanden und nur ein oder zwei Bücher und höchstens ein Ordner. Umso mehr war ich dann ein wenig schockiert, als die Tasse ohne jegliche Vorwarnung nach Vorne kippte und das heiße Getränk irgendwo im Bereich von dem großen C und den kleinen c ganz flink zwischen den Tasten verschwand. Zunächst machte ich nur sehr große Augen.

Rund eine halbe Sekunde nach dem unerfreulichen Ereignis zerrte ich das Kabel, mit dem das Klavier mit Strom versorgt wird, aus der Buchse und äußerte lautstark mein Missfallen – mit einer solchen Wortwahl, dass sogar die oben genannten Russen bleich geworden wären. Flüssigkeiten im Körper sind dort, wo sie nicht hingehören grundsätzlich nicht gut. Beim menschlichen Organismus nennt man sowas Aszites, beim Klavier gibt es leider keinen so schönen Fachbegriff, dafür einige sehr vulgäre Wörter. Zudem ärgert man sich, beim Ausstoßen von solchen Flüchen, über die eigene Dummheit.

Das Kind war in den Brunnen gefallen – beziehungsweise der Kaffee in die Klaviatur. Mir blieben nun noch zwei Möglichkeiten. Entweder verweile ich weiterhin vor dem Klavier auf dem Hocker zusammengesunken sitzend und heule wie ein Wolf bei Vollmond und überschlage, was alles Schaden nehmen kann, und wie teuer das Ganze werden wird, oder ich zerlege das Instrument, rette was zu retten ist und überschlage gleichzeitig wie kostspielig das alles werden mag. Ich entschloss mich für die zweite Möglichkeit. Es waren nun bereits ungefähr drei Sekunden vergangen und das bittere Getränk hatte inzwischen die Platinen und die Mechanik geflutet und fand einen Weg um auf den Boden zu tropfen. So etwas ist kein schöner Anblick.

Erste Handlung: Handtücher wurden aus dem Bad geholt und unter das verunglückte Instrument geworfen. Das half zwar nicht direkt, aber wenn sich jetzt auch noch das Laminat wellen würde, wäre der finanzielle Schaden noch größer.

Zweite Handlung: In Rekordzeit wurde der Bastelkeller erreicht, mit einem groben Griff einige Schraubendreher geschnappt und wieder zurück. Wieder oben stellte ich fest, dass wirklich keins der Werkzeuge brauchbar war.

Dritte Handlung: Das gleiche nochmal und diesmal hatte ich richtig zugegriffen und begann in Windeseile die ersten sichtbaren Schrauben auf der Rückseite zu lösen.

Marion war inzwischen voller Neugier hinzugekommen. Während ich das Innenleben des Instruments über mehrere Quadratmeter verteilte, begann sie mit Küchenpapier und Handtüchern den nun abgekühlten und wahrscheinlich nicht mehr gut schmeckenden Kaffee zu vertreiben. Rund 20 Schrauben später hatten wir zumindest den primären Schaden behoben. Nur in der untersten Etage – unter einem großen Blech – hatte sich noch ein wenig Flüssigkeit versteckt und versuchte über den Anschluss für die Kopfhörer auf den Boden zu tropfen.

Ohne zu wissen, wie groß der Schaden ist, befragte ich das Internet auf ähnliche Erlebnisse und Ersatzteilen. Ernüchternd war das Ergebnis – offensichtlich gab es keinen weiteren Menschen, der Kaffee über die Tasten kippte und Ersatzteile von Yamaha gab es leider nur für Motorräder.

Am nächsten Morgen betrachtete ich das Schlachtfeld. Alles hatte keine große Ähnlichkeit mit einem Klavier - dafür aber eher mit einem fiesen Unfall. Alles wurde nochmal gereinigt und wieder zusammengesetzt. Auch für eine Schraube, die fast bis zum Schluss übrig blieb fand ich noch eine Öffnung in die sie hinein passte. Und das Schönste – das Klavier funktioniert.

2 Kommentare:

Rednoserunpet hat gesagt…

äää ich würde mal emfehlen, der muss schriftsteller werden. was für eine geschichte herrlich.. und mit happy end.. zum glück..

Milena Schlegel hat gesagt…

Auweia, das tut weh. Aber wenn die ganze Aktion so tönte, wie ich eben hier gelesen habe - dann konntet ihr bestimmt hinterher wieder etwas schmunzeln. Und ich würde diesen Text unbedingt als Kolumne bei einer Zeitschrift einreichen. Vielleicht ist der Kaffeetrinker & Klavierspieler ein verlorengegangener Schriftsteller.
Liebe Grüsse
Milena