mein Mann hat wohl seine schriftstellerische Ader entdeckt und ließ mir heute eine e-mail mit folgendem Inhalt zukommen:
Die Linsen , Kira und Free Jazz
Was haben kleine Kinder und Free Jazz gemeinsam? – Richtig, beides kann gewaltig auf die Nerven gehen. Aber was kann das Nervenkostüm noch mehr belasten? – Beides zusammen!
Wie kam es zu dem Drama? Es war Abend, und alle kamen in das Esszimmer, um das einzigartige Linsengericht, dessen Rezept meine Göttergattin über verwogene Wege aus Schweden importiert hatte, voller Freude zu genießen.
Nach nur wenigen Versuchen gelang es Marion das perfekte Linsengericht zu kreieren. Es schmeckt einfach unbeschreiblich gut. Woraus es besteht? Nein – wirklich, ich habe keine Ahnung, aber wie ich schrieb, es ist einfach nicht zu übertreffen.
Während der dampfende Topf auf dem Tische stand, begann die Größere Wasser einzuschenken und die Kleinere – im folgendem Text nur als „Kröte“ benannt – stellte fest, das in ihrem Glas der Wasserspiegel gewaltige fünf Millimeter tiefer stand, als im Glas der großen Schwester. Der Kröte gefiel es gar nicht, und mit lautstarkem Protest beschwerte sie sich. Nach einem relativ kurzen dafür aber lautstarken Dialog sprang sie mit einem gewaltigen Satz durch die Tür und verschwand gekränkt in ihrem Zimmer.
An sich ist Kröte ganz ausgeglichen und sehr umgänglich, aber es gibt auch Tage, an denen sie sich über alles gewaltig aufregen kann. Es ist halt so, wie bei „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ nur heißt das Drama dann „Kira und die Kröte“.
Um den Familienfrieden wieder herzustellen, folgte ich ihr nach angemessener Zeit und fand im Kröten Kinderzimmer ein jammerndes kleines Mädchen. „Schau – meine kleine Kröte – wir haben dich doch alle ganz lieb, und es wäre schön, wenn du uns beim Essen ein wenig Gesellschaft leisten könntest. Und auch du magst doch die Linsen, wie Mama sie zubereitet“. Kröte schnappte ihren schwarzen Hut und tatsächlich, sie folgte lieb und brav in Esszimmer.
„Magst du nicht auch ein wenig essen?“ – Kröte schwieg und nippte ein wenig am Wasserglas. „Schau, wenn du das Essen kalt werden lässt – dann schmeckt es nicht mehr so ganz gut“ – die Kröte schwieg und nippte wiederum am Getränk. Egal was wir sagten, sie blieb stumm und nippte immer wieder am Glas. Sogar die pädagogische Inversion („Wie sehen es so gerne, wenn du dein Essen nicht isst.“) führte nicht zum Erfolg.
Als sie das Glas halb leer genippt hatte, begann sie, laut Harmonien zu summen und da sie ihre Oberlippe immer noch unterhalb der Wasseroberfläche hatte, tönte die gewagte Melodie gemeinsam mit den aufsteigenden Luftblasen.
Vor einige Wochen hatten wir Kira zu einem Jazzbrunch in Lund mitgenommen und das, was sie dort hörte, gefiel ihr gut und „Jazz“ war für sie kein Fremdwort mehr. Ich lehnte mich zurück und betrachtete, wie sie da saß. Das Gesicht war unter dem viel zu großen schwarzen Hut verborgen. Unter dessen Krempe schaute nur das Instrument Wasserglas hervor. Mich beschlich auf einmal das Gefühl, eine Reinkarnation von Miles Davis oder Chet Baker hätte am Tische Platz genommen. Das Wasserglassolo erstreckte sich über mehrere Minuten und war – wie es beim Freejazz halt so ist – wirklich ein sehr fraglicher Genuss. Als es fast so weit war, dass Milch gerinnt und die Tapeten sich an der Wand aufrollen, setze sie das Glas ab und grinste über das ganze Gesicht. Die Kröte schwand und Kira kehrte zurück.
Ach ja – sie hat trotzdem keinen Happen gegessen.
um sich das mal zu veranschaulichen, siehe hier:
PS: er freut sich wie blöd, über nette Kommentare ;-)
1 Kommentar:
Wenn es davon mal ein Buch gibt, bin ich die erste, die es kauft ;o)
Bis dahin hoffe ich auf Fortsetzungen...
Liebe Grüße
Birgit
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